Leistungsbeurteilung individuell abfassen
Dies ist z. B. möglich durch:
- durchgängige Nennung des Namens („Herr Meier konnte…“ statt „Der Rehabilitand konnte…“);
- (mehr oder weniger wörtliche) Wiedergabe der Rehaziele des Rehabilitanden oder seiner Bewertung des Reha-Ergebnisses;
- Aufnahme individueller Beispiele von Verbesserung und Schwierigkeiten im Reha-Verlauf.
Bitte beachten Sie: Die Verwendung von Textbausteinen, insbesondere ihre Aneinanderreihung, steht diesem Ziel entgegen und birgt eine große Fehlergefahr!
Die DRV Bund schreibt dazu in ihrem Leitfaden zum Reha-Entlassungsbericht (DRV Bund, 2018c, S. 9):
„Werden bei der Erstellung elektronische Masken als Hilfsmittel genutzt, sollten diese lediglich unterstützend zur Darstellung wichtiger indikationsspezifischer Details eingesetzt werden. Die jeweilige Persönlichkeit der Rehabilitandinnen und Rehabilitanden sowie die Problematik bestehender Funktionsstörungen vor dem Hintergrund von Alltags- und Arbeitswelt müssen den Lesern in einer kurzen Übersicht deutlich werden. Somit müssen elektronische Vorgaben zur Erstellung eines Reha-Entlassungsberichtes die Individualität ausreichend widerspiegeln. Textbausteine mit stereotypem Inhalt und die Beschreibung des Konzeptes sind zu vermeiden.“
Neutralität in der Beurteilung und Formulierung bewahren
Besser: "Herr Meier beendete die Aquafitness nach 10 Minuten mit dem Hinweis auf Schmerzen."
Ungünstig: "Frau Müller war unmotiviert."
Besser: "Frau Müller hat des öfteren wegen Kopfschmerzen nicht an den Gruppensitzungen teilgenommen / kam öfter zu spät zu den Therapien."
Leitlinienorientiert urteilen
Die an Leitlinien orientierte Beurteilung des Leistungsvermögens stellt die Gleichbehandlung aller Rehabilitanden sicher.
Sozialmedizinische Fachbegriffe richtig verwenden
Alle für die sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung relevanten sozialmedizinischen Fachbegriffe werden im Sozialmedizinischen Glossar der Deutschen Rentenversicherung aufgeführt und definiert.
Das Glossar ist als PDF abrufbar.
Handhabung etwa 1 bis 3 kg schwerergehenden Steuereinrichtungen, unbelastetes Gehen von Treppen und Leitern (bei Dauerbelastung), Heben und Tragen mittelschwerer Lasten in der Ebene von 10 bis 15 kg oder Hantierungen, die den gleichen Kraftaufwand erfordern.
Überwiegend
Der Begriff „überwiegend“ findet im Rahmen der sozialmedizinischen Beurteilung des Leistungsvermögens im Erwerbsleben Anwendung bei der Einschätzung des zumutbaren Umfangs einer Körperhaltung (Gehen, Stehen, Sitzen). Er umfasst einen Zeitumfang von 51 bis 90 % der Arbeitszeit und deckt sich mit dem des anderweitig benutzten Begriffs "häufig".
Erkenntnisse aller beteiligten Berufsgruppen einbeziehen
Beziehen Sie deshalb alle Professionen in die Leistungsbeurteilung ein.
Insbesondere Verhaltensbeobachtungen sind ein hilfreiches Element in der ganzheitlichen Leistungsbeurteilung. Bislang gibt es hierfür keine verbindlichen Standards. Sie können in Ihrem Reha-Team Leistungs- und Verhaltensdimensionen abstimmen, die von den verschiedenen Berufsgruppen beobachtet werden können. Vereinbaren Sie auch die Art der Dokumentation durch die einzelnen Teammitglieder.
Klare, eindeutige Aussagen treffen
Die Leistungsbeurteilung muss sprachlich für den medizinischen Laien (Rehabilitand, Juristen) verständlich formuliert werden.
Verklausulierte Botschaften sind nicht hilfreich.
Nachvollziehbarkeit der Leistungsbeurteilung schaffen
Wesentlich sind folgende Aspekte:
- Systematischer Abgleich von Eingangs- und Ausgangsbefund bzw. Funktionsvermögen (wo hat eine Entwicklung stattgefunden?);
- Zurückführen von Funktionsstörungen, wo möglich, auf morphologische Ursachen;
- Beschreibung des Rehabilitationsverlaufs;
- Berücksichtigung aller chronischen Gesundheitsstörungen und der daraus resultierenden Funktionsstörungen im Leistungsbild;
- Begründung des Leistungsbildes mit objektiven Befunden (funktionelle Untersuchungen, Ergebnisse von Assessments und Belastungserprobungen);
- Objektivierung subjektiver Beschwerdeschilderungen (siehe hierzu die Themen Assessment und Beschwerdenvalidierung);
- Illustration von Leistungseinschränkungen an konkreten Beispielen;
- Einbeziehung von Verhaltensbeobachtungen (multiprofessionell);
- Auseinandersetzung mit weiteren Behandlungsoptionen;
- widerspruchsfreie Darstellung:
- Passen die verschiedenen Aussagen in der Leistungsbeurteilung zusammen?
Herr W. arbeitet als Zimmermann in einer Firma, die Dachstühle, Treppen, Fassaden und Decken herstellt und montiert.
Er wird mit einem Leistungsvermögen von 6 Stunden und mehr für seine letzte Tätigkeit als Zimmermann beurteilt, gleichzeitig wird festgestellt, dass er nicht auf Leitern und Gerüsten arbeiten darf.
→ Die genannten Einschränkungen widersprechen der Leistungsbeurteilung für seine letzte Tätigkeit. - Vordergründig widersprüchliche Leistungsbeurteilungen unbedingt begründen;
Beispiel 1:
Leistungsvermögen ≥ 6 Stunden trotz gravierendem Krankheitsbild.
Mögliche Begründung: Alltagsverhalten, Erwerbsbiografie und gute Ressourcen wirken hier ausgleichend.
Beispiel 2:
Herr M. hat eine leichte bis mittelgradige depressive Störung. Er ist als Vertriebsmitarbeiter im Außendienst tätig. Leistungsvermögen < 6 Stunden bei nicht sehr gravierendem psychopathologischen Befund.
Mögliche Begründung: Es sind strukturelle Störungen vorhanden. - Widersprüche zu Vorbefunden aufgreifen und diskutieren.
- Passen die verschiedenen Aussagen in der Leistungsbeurteilung zusammen?
Arbeits- und Berufsanamnese detailliert erfassen
Basis der Leistungsbeurteilung ist eine detaillierte Arbeits- und Berufsanamnese. Dazu gehören Angaben zu
- konkreten Tätigkeiten und Anforderungen am aktuellen Arbeitsplatz,
- evtl. Arbeitslosigkeit,
- beruflichem Werdegang,
- möglichen Kontextfaktoren (z. B. Händigkeit, Führerschein, funktioneller Analphabetismus),
- evtl. Berufsschutz.
Bitte beachten Sie: Die Angaben der Rehabilitanden zum Arbeitsplatz und zur Berufsanamnese in vorab ausgefüllten Bögen sollten nicht ohne Konkretisierung und Überprüfung übernommen werden. Sie bieten eine gute Ausgangsbasis für die tiefergehende Exploration.
Leistungsbeurteilung auf die Anforderungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausrichten
Leistungsvermögen anschaulich darstellen
Sie sollten bzgl. Häufigkeit, Generalität und Schwere eingeordnet werden. Präzisierende Adjektive können hier hilfreich sein (überwiegend, zeitweise, unterdurchschnittlich, …)
Pauschale Aussagen wie „Tätigkeiten mit erhöhtem Stress sind zu vermeiden“ sind zu ungenau. Es sollten die Einflussfaktoren genannt werden, die vermieden werden sollen, z. B. erhöhter Zeitdruck, Publikumsverkehr, ungewohnte oder komplexe Arbeitsvorgänge, …
Bitte beachten Sie: Bei geplanter Wiedereingliederung kann eine überwiegend defizitorientierte Darstellung des Leistungsvermögens diese erschweren. Hilfreich ist hier darzustellen, was der Rehabilitand noch kann.
Prognose realistisch gestalten und plausibel begründen
- Für die Prognose ist ein auf sozialmedizinischen Erkenntnissen beruhender realistischer Heilungsverlauf zugrunde zu legen und nicht der bestmögliche, wenn dieser aufgrund der persönlichen Bedingungen des Rehabilitanden unrealistisch ist.
- Die längsschnittliche Entwicklung vor der Rehabilitation ist in die Leistungsbeurteilung einzubeziehen.
- Verbesserungen im Rehabilitationsverlauf können nicht eins zu eins auf die Alltagsbedingungen übertragen werden.
- Das Vorhandensein von Chronifizierungsfaktoren sollte geprüft und ggf. in der Prognose berücksichtigt werden.
- Die Besserungsprognose sollte nicht unter Vorbehalte gestellt werden, die über den normalen Heilungsverlauf hinausgehen.
Motivationale Aspekte und Ressourcen einbeziehen
Unterschiedliche Einschätzungen von Rehabilitand und Klinik benennen
Der Rehabilitand stimmt nicht mit der Leistungsbeurteilung überein. Er sieht sich aufgrund der Rückenschmerzen nicht in der Lage, eine Tätigkeit über einen Zeitraum von 6 Stunden und mehr auszuüben.
Stand 11/2022